Gestaltungsraum

Ein wichtiger Teil meiner Reise in den letzten 2 Jahren war zu verstehen, dass jeder von uns – also auch ich – dazu bestimmt ist, zum Gestalter seines eigenen Lebens zu werden. Das kann auf der einen Seite eine sehr befreiende Erkenntnis sein, da man sich nun dazu aufmachen kann, das zu tun, was man wirklich tun will. Auf der anderen Seite heißt das aber auch, dass man Verantwortung für seine Taten übernimmt und die Rolle des Opfers abstreift.

Ich habe mein Leben viele Jahre lang nicht bewusst und aktiv selbst gestaltet. Ich hatte keine Vision von dem Leben, dass ich haben möchte, und die schlimmste Frage war, wo ich mich in fünf Jahren sehen würde. Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, wo ich sein wollte, und dachte meistens “Ach, so wie es jetzt ist, ist es doch ganz ok.” Aber tief in meinem Inneren wusste ich, dass “ganz ok” nicht das ist, was ich wirklich will. Ich will von meinem Leben sagen können, dass es großartig ist! Und ich will zumindest ein Gespür haben für die Richtung, in die es sich weiterentwickelt.

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Astrid Götze-Happe  / pixelio.de

Nachdem ich Anfang des Jahres mit der Jahreslandkarte meine Vorsätze für 2014 vorgestellt hatte, habe ich einige Rückmeldungen dazu bekommen, dass die Landkarte ja ganz schön voll sei und ob ich mir nicht zu viel vornehmen würde. Ich kann gut nachvollziehen, dass es nach außen so wirkt, als ob ich wieder auf dem Weg zurück in alte Verhaltensmuster sei, wo ich mich mit Aufgaben, Zielen und Projekten überfrachtet hatte, um möglichst viel beschäftigt zu sein und Anerkennung von anderen zu bekommen. Doch auch wenn ToDo-Listen und bunte Pläne wieder Einzug in mein Leben gefunden haben, so hat sich innerlich speziell in den Wochen vor Weihnachten so viel verändert, dass man das nicht mehr mit dem vergleichen kann, was mich früher dazu angetrieben hatte.

Und da das für mich ein wichtiger Schritt war, möchte ich euch heute ein bisschen mehr darüber erzählen, was hinter den Kulissen abgelaufen ist.

Das letzte Jahr war sehr stark geprägt von Veränderung und Neuanfängen. Doch es war auch geprägt von der Angst, wieder in den Überforderungs- und Panikteufelskreis zurückzukehren. Angst ist leider kein guter Weggefährte, denn sie hemmt uns und hält uns klein. Natürlich habe ich mir einige große Sachen vorgenommen, wie z.B. die Fitnesstrainer-A-Lizenz oder die Suche nach einer neuen Anstellung, aber ich war immer sehr vorsichtig, mir bloß nicht zu viel aufzuhalsen. Das hat sich weniger in den großen, als vielmehr in den kleinen Dingen des Alltags gezeigt. Ich hatte auf einmal große Probleme damit, irgendwelche Zusagen zu machen, wenn mich jemand um etwas gebeten hatte, mich um die nicht ganz so angenehmen Erledigungen des Lebens zu kümmern, zeitnah auf E-Mails zu antworten oder mich mit anderen zu verabreden. Ich wollte einfach keine Verbindlichkeiten schaffen! Ich habe mich dadurch eingeengt und bedrängt gefühlt. Trotzdem waren gewisse Verbindlichkeiten trotzdem da und mir wäre es am liebsten gewesen, wenn sich jemand anderes um meinen Mist gekümmert hätte, denn ich hatte einfach keine Lust drauf.
Trotzdem konnte ich mich nie ganz von alldem lösen, denn der Leidensdruck durch die nicht erledigten Dinge ist stellenweise so groß geworden, dass ich wieder nahe am Panikteufelskreis war und die Last von allem Unerledigten so schwer auf meinen Schultern lastete, dass ich es kaum aushalten konnte. Der Wunsch war da, alles SOFORT zu erledigen oder am besten schon gestern erledigt zu haben. Doch das geht dann meisten nicht so leicht – v.a. wenn es 1 Uhr nachts ist.

Der Auslöser, diesen ganzen Themenkomplex tiefer in der Therapie zu betrachten, war eine Auseinandersetzung mit meinem Schatz, weil ich mich regelrecht geweigert hatte, mich mit ihm auf eine Uhrzeit für einen Besuch bei seinen Großeltern zu einigen. Er hatte mir einige Vorschläge gemacht und ich konnte mich einfach nicht dazu durchringen, mich auf etwas festzulegen. Ich habe mich so dermaßen in die Ecke gedrängt gefühlt und keinen Weg raus gefunden.
Als ich in der Therapie von dieser Situation erzählt habe, hat meine Therapeutin den Schlüsselsatz gesagt, der mir gezeigt hat, wie ich mich selbst in der Opferrolle gehalten habe. Sie sagte: “Sie schaffen sich die Enge, die sie spüren, selber.” Das habe ich erst einmal überhaupt nicht verstanden. Wie sollte ich denn selbst diese Enge schaffen? Sie erklärte mir, dass ich mich in diesen Situationen selbst handlungsunfähig mache, weil ich passiv bleibe und – bezogen auf die aktuelle Auseinandersetzung – den Vorschlag meines Mannes als unumstößlich betrachte, anstatt selbst aktiv zu werden und einen Vorschlag zu machen. Ihre Erklärung war für mich so einleuchtend, dass es mir wie Schuppen von den Augen fiel und ich auf einmal merkte, wie passiv ich in den Monaten zuvor gehandelt hatte.

Ich weiß jetzt natürlich nicht, ob ihr durch das bisher Geschriebene wirklich nachvollziehen könnt, welches Ausmaß diese Erkenntnis für mich hatte. Daher hier nochmal in aller Kürze: Diese Erkenntnis was für mich phänomenal und hat einen riesengroßen Knoten zum platzen gebracht! Ich fühle mich seitdem mir selbst so nahe, wie schon lange nicht mehr.
Auf einmal war da wieder die Lust, Listen zu machen, Verbindlichkeiten zu schaffen, Themen zu strukturieren – aber nicht, um mich im Hamsterrad zu halten, sondern einfach weil das meine Art ist, wie ich die Gestaltung meines Lebens angehe. Ich habe in den letzten Wochen auch gemerkt, dass es für mich dann gar nicht so sehr darum geht, die Pläne, dich ich mir so mache, später auch 1:1 umzusetzen. Das scheitert dann doch meistens, da meine Pläne immer sehr anspruchsvoll, detailliert und umfassend sind. Es geht vielmehr um den Prozess des Planens und Strukturierens, der bei mir wahnsinnig viel Kreativität und Ideen freisetzt, also Gestaltungsraum schafft.

Die Vorsätze aus meiner Jahreslandkarte, die ich noch nicht angegangen bin, die unerledigten Aufgaben auf meiner ToDo-Liste, die vielen Termine, die ich aktuell Woche für Woche habe, engen mich nicht mehr ein, weil ich sehe, wie sie dazu beitragen, dass ich mein eigenes Leben selbst aktiv gestalte. Und das gehe ich jeden Tag aufs Neue an – immer mit dem Wissen, dass etwas Unvorhergesehenes passieren kann, was dazu führt, dass manche Dinge nicht an dem Tag getan werden, an dem ich sie eingeplant hatte. Wenn man aber das große Bild im Blick hat, sind diese kleinen Veränderungen in der Regel nur minimale Kursabweichungen, die ebenso zum Ziel führen können.

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2 Comments

  • Macht mih lächeln und klärt mich selbst auch ein Stük weit. Ich habe deine Jahreslandkarte übernommen und selbst eine gebastelt. Ohne Druck, einfach v.a. zum Spielen! 🙂

    Dir alles Liebe, Frau Momo

  • Deine Beschreibung kann ich gut nachvollziehen und ich finde es toll, welche Entwicklung da da bei dir selber bemerkst! Überhaupt: bewundernswert, wie offen du über deine innere Reise schreibst!!!

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