In den letzten Tagen hat mich die Realität meines Vorhabens endgültig gepackt: Ich will tatsächlich einen Marathon laufen? Auf was habe ich mich da bloß eingelassen?!?!?!?!?
Ich habe gerade wirklich ein bisschen Panik, weil ich erst jetzt anfange zu begreifen, was es wirklich für mich heißt, dass ich mich auf einen Marathon vorbereite. Was zwei Wochen so ausmachen können, ist schon erstaunlich, denn in meinem letzten Marathon-Post war ich ja noch recht gelassen.
Ich denke, es waren zwei Faktoren, die die Realitätsbombe haben einschlagen lassen:
- Ich habe endlich ein Hotel für die Nacht von Samstag auf Sonntag in Frankfurt gebucht und mich daher das erste Mal intensiver mit diversen organisatorischen Themen auseinandergesetzt, wie z.B. die Startzeit, die Startgruppen, das Veranstaltungsgelände etc.
- Am Wochenende kam mein neuer Trainingsplan für die nächsten vier Wochen und gleich für Montag stand eine große Zahl drin: 20 km.
Und genau diese Zahl hat mir klar vor Augen geführt, dass ich jetzt unweigerlich den Schritt vom Halbmarathon- zum Marathontraining gehe. 20 km. Solange bin ich bislang nur ein einziges Mal in meinem Leben gelaufen – das war bei meinem Halbmarathon vor drei Jahren. Der längste Lauf in der Vorbereitung war damals 19,4 km lang. Und jetzt bleibt es nicht nur bei diesen 20 km, denn ich den nächsten Wochen wird die Strecke Stück für Stück verlängert.
Ich war außerdem von dem großen Sprung vom langen Lauf letzte Woche zu dieser Woche überrascht. Letzte Woche standen 90 Minuten (ohne Distanzangabe) auf dem Plan, in denen ich 14,5 km zurückgelegt habe. Ob ich diesen großen Sprung schaffen würde? Ich war mir da am Wochenende ehrlich gesagt nicht so sicher, denn jetzt bin ich definitiv in einem Bereich angekommen, bei dem die mentale Herausforderung die körperliche übertrifft (und da das eine immense körperliche Anstrengung ist, könnt ihr euch bestimmt vorstellen, was mental auf einen zukommt).
Daher möchte ich euch heute mit auf die Reise durch meine Gedanken während meines langen Laufs diese Woche nehmen. Ich hoffe, dass ihr mir am Ende weiterhin als Leser erhalten bleibt und euch nicht von den Wirren in meinem Kopf in die Flucht schlagen lasst.
Die ersten 3 Kilometer:
“Ok, dann lauf ich jetzt halt mal los. Mal sehen, ob ich das schaffe.”
“Wenn ich Pausen brauche, dann muss ich sie mir nehmen. Wenn ich Pausen brauche, dann muss ich sie mir nehmen. Wenn ich Pausen brauche, dann muss ich sie mir nehmen. … Mantras sollen doch helfen, oder?”
“Oh, die ersten 2 Kilometer sind geschafft! Jetzt muss ich das ganz nur noch neun Mal schaffen. Das kann doch nicht so schwer sein.”
“Puh, meine Beine sind echt ganz schön schwer. Das war gestern bei den Kursen wohl doch ein bisschen zu viel. Warum kann ich mich immer so schwer zurücknehmen? Naja, wenn ich mal warmgelaufen bin, wird es bestimmt besser.”
Kilometer 4-6:
“Hm, mal schauen, wo ich heute überall hinlaufe. Die Runde muss ja schon ganz schön groß werden. Ob es reicht, wenn ich bis zum Windrad laufe, bevor es in Richtung Ditzingen geht, oder muss ich bis Korntal weiterlaufen?”
“Also, eigentlich sind 20 km doch nur zwei Mal 10 Kilometer. Wenn ich die ersten 10 geschafft habe, muss ich einfach nur nochmal 10 laufen. Und 10 Kilometer schaffe ich ja problemlos.”
“Mal wieder einen Körpercheck machen: Beine fühlen sich ganz gut an. Brustwirbelsäule aufrichten, Schultern entspannen. Ganz bewusst die Fußsohle bei jedem Abrollen wahrnehmen. Es läuft.”
Kilometer 7-8:
“Warum ist das heute eigentlich so warm? Und warum habe ich dieses blöde T-Shirt angezogen? Hätte was ohne Ärmel anziehen sollen. Dann kremple ich die Ärmel halt auf. … Mist, das hält nicht. Und ich habe mich auch nicht mit Sonnencreme eingeschmiert.”
“Oh, ein Drittel habe ich schon geschafft! Das ganze noch zwei Mal und ich bin fertig.”
“Über was könnte ich denn ich nächster Zeit so auf dem Blog berichten. Ich wollte doch schon seit Ewigkeiten über die verschiedenen Trainingsbereiche im Ausdauertraining schreiben. Da würde doch jetzt zur Marathonvorbereitung auch gut passen. Mal schauen, ob ich das jetzt endlich hinbekomme.”
“Die Feldwege hier sind echt schön zum Laufen. War ne gute Entscheidung, diese Richtung einzuschlagen.”
Die ersten 10 Kilometer sind fast geschafft:
“Irgendwie ziehen sich die ersten 10 Kilometer schon ganz schön hin. Ich muss die Runde wohl noch ein Stückchen länger machen, sonst muss ich am Ende zu viel ranhängen.”
“Gott sei Dank habe ich meinen Trink-Rucksack dabei. Ich schwitze wie blöd. Aber einen Schwamm zum Nassmachen hätte ich noch mitnehmen können. Das wäre jetzt bestimmt ne gute Abkühlung.”
“So ohne Musik oder Hörbuch auf den Ohren zu laufen ist zwar ganz schön, aber ich brauch jetzt ein bisschen Beschallung.”
“Oh, da vorne sind Schweine im Außengehege! Bei den Schweinen mache ich dann ne kurze Pause. Mal schauen, was die so treiben.”
“Mir ist noch nie so bewusst aufgefallen, wie genüsslich sich Schweine suhlen können. Würde ich jetzt auch gerne machen. Und die schmatzen beim Fressen ja mal mega laut!”
“Ok, es muss weitergehen.”
Kilometer 11-14:
“Über diese Feldwege bin ich bislang noch nie gelaufen. Echt schön hier!”
“Irgendwie lenkt mich das Hörbuch (Das Lied von Eis und Feuer 4 ) heute nicht genug von der Anstrengung ab. Es ist echt anstrengend. Aber ohne wäre es noch viel anstrengender.”
“Mein Knie verhält sich bislang echt ruhig. Das Kinesiotape macht zusammen mit der Bandage wohl doch einen Unterschied. Dann werde ich das für den Rest der Vorbereitung mal häufiger anbringen.”
“Boah! Wann ist es denn endlich vorbei?!?!?!?!? Würde ja am liebsten aufhören, aber weiter zu laufen ist der schnellste Weg nach Hause.”
“Also, irgendwie komme ich bei dem Hörbuch ja grad nicht so ganz mit. Wann laufen diese ganzen Handlungsstränge eigentlich mal wieder zusammen?”
“Oh, ich bin ja schon in Ditzingen. Aber in diesem Ortsteil von Ditzingen war ich auch noch nie.”
“Die Gel-Chips bringen es heute auch nicht so wirklich. Hätte mir doch mehr mitnehmen sollen.”
“Ich muss mir irgendwo noch was zusätzliches zu Trinken besorgen. Vielleicht ein Iso-Getränk oder so. Wo kriege ich das jetzt nur her… Hier ist glaub keine Tankstelle ums Eck… Im Ortskern gibt’s ja nen Rossmann. Da bekomme ich doch bestimmt was!”
“Letzte Woche war ich jetzt schon fast fertig mit meinem Lauf…”
“So schnell habe ich glaub noch nie einen halben Liter getrunken. Hoffentlich wird mir jetzt nicht schlecht.”
Kilometer 15-17:
“Dreiviertel der Strecke ist geschafft. Bislang geht’s körperlich eigentlich noch ganz gut. Aber genervt bin ich schon. Nutzt alles nichts: Immer schön weiterlaufen.”
“Der Schweiß könnte mal aufhören zu laufen. Der brennt schon in den Augen. Und meine Sonnenbrille reibt auch schon ziemlich auf der Nase.”
“Wenn ich dort links abbiege, dann müsste ich doch an dieser einen Kreuzung rauskommen, wo ich dann nach Stuttgart-Hausen weiterlaufen kann, oder?”
“Mist, jetzt bin ich doch zu weit oben rausgekommen. Egal, dann laufe ich halt einen anderen Bogen nach Hause.”
“So langsam fühlen sich meine Beine echt komisch an. Laufe ich überhaupt noch?”
“Die Sonne brennt ganz schön. Ich freu mich schon aufs Bad im kalten Wasser.”
Die letzten 3 Kilometer:
“Warum mache ich das nochmal? Und warum kann ich eigentlich nicht mehr schneller laufen? Ich will endlich fertig sein!”
“Mist, jetzt tut mein Knie doch ganz schön weh. Bloß keine Schonbewegung machen, sonst rächt sich das doppelt!”
“Das Hörbuch nervt jetzt endgültig. Ich brauch Musik, sonst komme ich nicht mehr an. … Ne, das Lied nervt… das auch… das kann ich jetzt auch nicht brauchen… ah, das ist gut!”
“Wer mich jetzt sieht, fragt sich bestimmt auch, warum ich hier eigentlich so rumeier. Das kann doch nicht mehr wie Laufen aussehen. Zumindest fühlt es sich nicht mehr so an.”
“Immer schon einen Fuß vor den anderen setzen, einen Fuß vor den anderen.”
“Oh, ich hab’s gleich geschafft!!!! Wenn ich aber jetzt zum Haus laufe, dann fehlen mir noch 500 m zu den 20 km auf der Laufuhr. Komm, die hänge ich noch ran.”
“Ich brauch mehr Zielgeraden-Feeling. Wo ist denn bloß ‘Don’t stop believin’’ auf dieser Playlist? Ah, hier! Ok, jetzt kann das Finale kommen!”
“Bei dem Lied bekomme ich einfach immer Gänsehaut!”
“Die letzten Meter. Nur noch bis zum Pfosten da vorne…”
“GESCHAFFT!”
Ich hoffe, ihr habt gemeinsam mit mir zum Ende durchgehalten!
Dieser Lauf war wirklich eine riesige Herausforderung für mich und ich habe einen Heidenrespekt vor den langen Läufen, die in den nächsten Wochen noch anstehen. Ich bin gerade ziemlich hin- und hergerissen, da ich ahne, dass das Training für mich ab jetzt immer unangenehmer wird, und ich nicht weiß, wie ich damit umgehen werde.
Ich möchte mich aber zumindest dieses eine Mal darauf einlassen, denn ich bin so neugierig auf das Gefühl beim Überqueren der Ziellinie!
Super beschrieben!
Und jetzt ganz grob konnte ich in Gedanken mitgehen wo du laufen warst 🙂
Danke!
Oh ja, ohne Gedankenspiele und Kopfkino würde ich lange Läufe gar nicht schaffen 😉 Und manchmal kommt man dabei auf die unmöglichsten Einfälle. Die Läufe über 20 km sind wirklich kein Zuckerschlecken, man stößt an seine Grenzen und bestimmt wird es nicht leicht werden. Aber dann gibt es wieder die guten, positiven Läufe und das Gefühl, den Marathon wirklich schaffen zu können 🙂 Ich wünsch dir weiterhin viel Erfolg beim Training, ganz viel Kraft und Energie! LG
Lustig 🙂 Viele Gedanken kommen mir bekannt vor. Ich lauf auch gerne mit Musik. Mein aktuelle Final-Lied (also nach 8 km) ist "Traum" von Cro. Ist zwar sonst nicht meine Musik, aber der Rhythmus stimmt.