Beschäftigst du dich noch oder gestaltest du schon?

Ich gebe zu, ich bin eine wahre Meisterin im Beschäftigtsein. Ich kann mir wunderbar den Tag mit diversen Aktivitäten vollhauen, den Plan durchziehen und habe am Ende des Tages trotzdem das Gefühl, dass ich eigentlich nichts getan habe. Schlimmer noch: Wenn ich zu lange im Beschäftigungsmodus verweile, dann habe ich immer öfter das Gefühl, gar keine Zeit mehr für mich zu haben. Das ist eigentlich ziemlich paradox, da ich den Großteil meiner Aktivitäten, wie z.B. Sport, Kochen oder Bloggen, ja total gerne, aus freien Stücken und für mich mache. Trotzdem verliere ich den Kontakt dazu.



Meine bisherige Strategie, wenn das Ich-hab-keine-Zeit-Stadium erreicht ist: Noch mehr planen, strukturieren und organisieren. Denn das soll ja scheinbar Zeit und Freiräume schaffen. Aber das macht es für mich eigentlich nur noch schlimmer. Meine Therapeutin hat das ganz treffend bezeichnet: Ich bin in diesem Stadium überorganisiert. Ich versuche also, mit dem inneren Konflikt, der in mir durch den fehlenden Kontakt und das reine Beschäftigtsein entsteht, durch ein Mehr an Organisation und Struktur umzugehen. Und natürlich habe ich lange nicht gesehen, dass das so nicht funktioniert.


Vor zwei Jahren war dieses Verhalten ganz extrem ausgeprägt. Mein Tag war total durchgetaktet und wehe, jemand hat meinen Plan durcheinander gebracht. Es war keinerlei Puffer da, sodass ich immer das Gefühl hatte hinterherzuhinken. Für Spontaneität war gar kein Platz und ich habe mich auch meinen Mitmenschen gegenüber abgeschottet. Wenn beispielsweise das Telefon zu einem ungünstigen Zeitpunkt geklingelt hatte, bin ich oft nicht rangegangen. Andere Menschen waren ein Störfaktor. Hauptsache, ich hatte mich und meinen Plan im Griff. Mein Post zum geplanten Faulsein spiegelt mein Verhalten und den Druck, unter dem ich damals stand, ganz gut wider.

Ich weiß manchmal ehrlich gesagt nicht, wie ich so auf Dauer funktionieren konnte. Es war natürlich nicht von jetzt auf nachher so extrem, sondern ein stetiger Prozess. Ich konnte einfach nicht sehen, dass mein Leben nicht zusammenbricht, wenn an einem Tag mal nicht alles geklappt hat. Doch bestand mein Leben damals nur von Tag zu Tag zu Tag, da ich kein Gefühl und keine Vorstellung davon hatte, wie ich mein Leben langfristig gestalten möchte.

Wenn man keine Vision von seinem Leben hat, dann ist es ziemlich leicht, im Beschäftigungsmodus festzustecken. Die kleinen Aktivitäten bekommen ohne diese Vision eine unverhältnismäßig große Wichtigkeit. Sie haben keine Bezug zu ihrem Beitrag für das große Ganze. Die Energie, die man in sie investiert, verpufft ohne eine Richtung im Nichts.
Wenn man jedoch ein Bild davon hat, wie sich sein Leben (weiter)entwickeln soll, dann kann man sehen, wie all das, was man jeden Tag tut, einen Beitrag leistet. Man wird auch sehen, dass der große Plan nicht scheitern wird, weil mal ein paar Tage blöd laufen. Man kommt weg vom reinen Beschäftigtsein und wird immer mehr zum Gestalter. Dabei fällt es einem auch leichter zu entscheiden, was man sich dauerhaft auf seine Agenda schreibt – denn die Frage sollte immer sein: Trägt es zu meiner Vision bei?

Natürlich ist das für mich alles auch noch eine große Herausforderung. Der Hamster in mir ist immer noch da und will in sein Hamsterrad! Vor ein paar Wochen kam wieder dieses Ich-hab-keine-Zeit-Gefühl auf und ich habe trotz vollem Terminkalender eine gewisse Leere in mir gespürt. Das war auch der Zeitpunkt, als ich in der Therapie endlich richtig verstanden habe, das mein Überorganisieren nicht die Lösung ist.  Die Lösung war, meine diversen Aktivitäten auf den Prüfstand zu stellen und zu schauen, ob da irgendwas dabei ist, was keinen Beitrag mehr leistet. Dabei hat es mir natürlich immens geholfen, dass ich mein Gestaltungsraum wiedergefunden hatte.
Und siehe da: Es gab da doch eine Sache, bei der ich nicht mehr sehen konnte, dass sie zu meiner Vision beiträgt. Ich denke, dass sich dieser fehlende Kontakt dann auch auf andere Dinge übertragen hat. Seit ich das erkannt habe, arbeite ich daran, die notwendigen Veränderungen in die Wege zu leiten. Am liebsten würde ja radikalen Prozess machen, aber das ist leider nicht immer möglich. Diese Übergangszeit fühlt sich zwar nicht toll an, doch ich weiß, welche Schritte notwendig sind, und gehe sie nacheinander an. Um was es dabei genau geht, werde ich euch zu gegebener Zeit berichten.

Sein Leben zu gestalten fühlt sich einfach nur toll an!
Ich stelle daher auch euch die Frage: Beschäftigst du dich noch oder gestaltest du schon?

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4 Comments

  • Ich kenne das Listenschreiben und Beschäftigtsein nur allzu gut. Eigentlich wollte ich mir für die Fastenzeit etwas vornehmen, doch davor habe ich bereits allerhand Challenges mitgemacht und irgendwie fühlte es sich nicht gut an, nun auch zur Fastenzeit etwas zu planen. Darum habe ich mir ganz bewusst vorgenommen, KEINE Listen zu schreiben (es sei denn, sie sind wirklich notwendig) und den Tag auf mich zukommen zu lassen. Ich versuche nun nicht mehr, 1000 Dinge in 24 Stunden zu quetschen, sondern gebe mir große Mühe, mit dem zufrieden zu sein, was ich erreicht habe. In meiner Freizeit versuche ich, auf meinen Bauch zu hören und das zu tun, was er will. Und es funktioniert tatsächlich sehr gut! Ich fühle mich entspannter und mache trotzdem viele Dinge, aber weil ich sie WILL und nicht, weil ich sie machen SOLLTE. Und wenn man etwas getan hat, das man wirklich machen wollte, fühlt man sich hinterher noch viel besser und ist um ein Vielfaches produktiver dabei. Vielleicht wäre die "Keine Challenge-Challenge" auch mal was für dich? 😉

  • Hallo Yara,

    die "Keine Challenge-Challenge" habe ich letztes Jahr mehrere Monate gemacht, aber eher unbewusst und v.a. aus Angst, mich zu überfordern.

    Jetzt fühlt es sich für mich einfach wieder gut an, mir Dinge vorzunehmen, da ich vorher immer prüfe, ob und wie sie zu meiner Lebensgestaltung beitragen. Das ist dann kein "leeres" Beschäftigtsein, sondern es bekommt eine Bedeutung und damit Fülle. Das gibt mir jetzt wahnsinnig viel Energie zurück!

    Es wird aber bestimmt wieder Phasen geben, wo ich mir weniger oder sogar noch mehr vornehme – ich denke, das ich ganz normal, dass sich das immer wieder ändert. Die Hauptsache ist, dass man sich gut dabei fühlt.

    Ich wünsch die viel Spaß bei deiner "Keine Challenge-Challenge" und hoffe, dass du die Zeit gut dazu nutzen kannst, dir selbst ein Stückchen näher zu kommen.

    Viele Grüße
    Julia

  • Ein ganz wundervoller Post! Ich kann das zu 100% unterschreiben. Sein Leben zu gestalten, ist manchmal nicht einfach, aber wenn man damit begonnen hat, dann passieren so viele Dinge, die genau in diese Richtung gehen.

    Ich betrachte das Ganze auch immer energetisch: Wenn wir unsere Energie auf die Wünsche und Träume lenken, die wir wirklich von ganzem Herzen wollen (warum auch immer), dann entsteht eine Dynamik in unserem Leben, die uns noch mehr Energie zurückgibt.
    Wenn wir jedoch unsere Energie in Dinge investieren, die uns nichts geben oder von denen wir nur wollen, dass wir sie wollen, dann beginnen wir gegen unseren Strom zu schwimmen.

    Danke für diese tolle Inspiration!

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