Trainingsintensität – weniger ist oft mehr

Ich versuche gerade, in vielen Dingen wieder zu einer ausgewogenen Balance zurückzukehren. Bei manchen Dingen bedeutet das, wieder in eine gewissen Regelmäßigkeit zu kommen – wie z.B. beim Bloggen. Bei anderen Dingen ist die Regelmäßigkeit zwar schon da, aber ich muss aufpassen, dass es nicht wieder zu viel wird. Hierzu zählt bei mir eindeutig der Sport.

Sport war auch während der ganz akuten Phase meiner Depression letzten Herbst eine der wenigen Aktivitäten, auf die ich noch Lust hatte. Es hat mir einfach ein gutes Gefühl gegeben mich zu bewegen und ich habe mir die notwendige Flexibilität gegönnt, damit kein Stress für mich entsteht. Außerdem hat mir mein Körper schon deutlich gezeigt, was ihm guttut und was nicht.
Ich habe in den letzten Monaten natürlich auch viel über die Bedeutung des Sports in meinem Leben nachgedacht. Und wer mich kennt bzw. meinen Blog liest, der weiß, das Sport ein wichtiger Teil meines Lebens ist. Dennoch wurde es auch da letztes Jahr einfach zu viel für mich. So wie in einigen anderen Bereichen meines Lebens bin ich beim Sport in einen Teufelskreis hineingeraten: Es musste immer das scheinbare Optimum herausgeholt werden frei nach dem Motto “Viel hilft viel”. Das hatte nicht nur negative Auswirkungen auf meinen emotionalen Zustand. Auch körperlich hat es seine Spuren hinterlassen. Die Folge: Übertraining.

Nun ist es aber so, dass ich einfach ein sehr ambitionierter und ehrgeiziger Mensch bin, der – sobald die Leidenschaft für eine Sache geweckt ist – auch gerne seine Grenzen austestet. Beim Sport gestaltet sich das daher oft so, dass eine Trainingseinheit nur dann als sehr gut kategorisiert wird, wenn ich mich danach nicht mehr bewegen kann. Dass das auf Dauer alles andere als förderlich ist, v.a. wenn man fast jeden Tag Sport treibt und keine Betreuung wie ein Profisportler hat, ist nicht verwunderlich. Der Körper braucht einfach Zeit zur Regeneration – je höher die Trainingsintensität, desto länger ist auch die Regenerationszeit.
Ich musste aber feststellen, dass es für mich nicht leicht ist, hier die richtige Balance zu finden. Ich mache nicht nur aus Spaß an der Freude Sport, sondern ich möchte auch einen Trainingseffekt erzielen, z.B. schneller werden beim Laufen oder Muskeln aufbauen. Doch wie viel Intensität ist notwendig für ein effektives Training? Meine Herangehensweise, um auf Nummer sicher zu gehen, war, dass man am besten schon während des Trainings spüren muss, dass man im Grenzgebiet der Leistungsfähigkeit ist. Doch so kann und möchte ich nicht weiter machen. Also ist ein Umdenken notwendig.

Das Umdenken wurde bei mir durch den Lehrgang zur Fitnesstrainer-B-Lizenz eingeleitet. V.a. während der 4-tägigen Präsenzphase sind mir einige Dinge klar geworden, die ich vorher so nicht ganz verstanden hatte und die ich gerne mit euch teilen möchte. Dazu müssen wir ein bisschen in die Trainingslehre einsteigen und uns das Prinzip des trainingswirksamen Reizes anschauen.
Das grundsätzliche Ziel eines Trainings ist es, die körperliche  Leistungsfähigkeit zu verbessern. Um dies zu erreichen, muss der Körper optimal überschwelligen Muskelspannungen ausgesetzt werden, damit am Organismus die entsprechenden Anpassungserscheinungen zum Tragen kommen, die zu einer Leistungssteigerung führen.
Die überschwelligen Muskelspannungen erreicht man durch entsprechende Reize von außen, z.B. durch Krafttraining. Diese Reize werden auch als trainingswirksame Reize bezeichnet. Doch wie hoch, also wie intensiv muss ein solcher Reiz sein, damit er optimal überschwellig ist? Genau das ist die entscheidende Frage. Ist der Reiz nur schwach überschwellig, so wird lediglich der Status Quo erhalten, da der Reiz nicht stark genug ist, um die notwendigen Anpassungsprozesse anzustoßen. Das ist z.B. bei den Alltagsbewegungen der Fall. Ist der Reiz zu stark überschwellig, wenn er also im maximalen Bereich ist, kann es zu einer Beeinträchtigung der Körperfunktionen und einer Reduzierung der Leistungsfähigkeit kommen. Einen bekannten Vertreter dieses Phänomens kennt ihr bestimmt: den Muskelkater.

TrainingswirksamerReiz

Irgendwo dazwischen liegt also der optimal überschwellige Trainingsreiz. Wenn man von der bewusst abrufbaren maximalen Leistungsfähigkeit ausgeht (der Mensch verfügt natürlich über geschützte Reserven, die nur im Notfall abgerufen werden können), so liegt er im Bereich von ca. 50-95% der bewusst abrufbaren maximalen Leistungsfähigkeit. Für Trainingsanfänger ist schon ein Trainingsreiz von 50% dieser maximalen Leistungsfähigkeit ausreichend, wohingegen ein Fortgeschrittener eher im Bereich ab 70% trainieren muss. Ihr seht also, dass nicht immer das Maximum notwendig ist – und das trifft fürs Krafttraining genauso zu wie fürs Ausdauertraining.
In meinem neuen Krafttrainingsplan (den ich nach der Individuellen-Leistungsbild-Methode erstellt habe) beginne ich z.B. mit 60% der maximalen Leistungsfähigkeit und steigere mich in den nächsten Wochen auf 80% (für die Ermittlung der maximalen Leistungsfähigkeit gibt es unterschiedliche Methoden, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte). Während des Trainings hatte ich natürlich das Gefühl, dass das ja viel zu lasch ist, doch am nächsten Tag hatte ich dieses gute “Ich spüre, dass ich was gemacht habe”-Gefühl in den Muskeln. Ähnlich verhält es sich auch, wenn ich meinen Puls beim Cycling konsequent im Blick habe oder ich zum Nordic Walking gehe: Während des Trainings merke ich zwar, dass noch Luft nach oben ist, und ich bin nach dem Training nicht total erschöpft. Am nächsten Tag spüre ich aber, dass ich was gemacht habe.

Ich bin davon überzeugt, dass mir dieses Wissen dabei hilft, mein Training in Zukunft ausgewogener zu gestalten, ohne dass es Einbußen in Sachen Effektivität auf der einen Seite und potenzielles Übertraining auf der anderen Seite gibt. Ich finde diese Erkenntnis auch sehr wichtig bezüglich meiner zukünftigen Arbeit als Trainer, denn ich weiß, dass es viele gibt, die in Sachen Training auch eher die “Viel hilft viel”-Methode verfolgen. Daher finde ich es wichtig, auch diesen Aspekt meinen Fitnesskunden nahezubringen. Hier auf dem Blog kann ich das ja schon mal üben, indem ich darüber schreibe. Daher wird es in Zukunft bestimmt noch ein paar weitere Posts geben, in denen ich meine Erkenntnisse aus der Trainerausbildung mit euch teilen werde.

Hinweis: Als Quelle für die Informationen in diesem Post habe ich die Unterlagen des Lehrgangs zur Fitnesstrainer-B-Lizenz verwendet.

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5 Comments

  • Sehr schön, dass du das so schreibst! Ich finde es auch immer schwierig, das richtige Maß zu finden. Ich hatte bisher nur selten Probleme mit Übertraining, aber ich habe trotzdem schnell dass Gefühl, dass man ja doch noch etwas mehr Gas geben könnte.
    Ich werde nun auch mal versuchen mich damit auseinander zu setzen und ein gutes Mittelmaß zu finden, momentan ist es bei mir im Moment nämlich immer eher entweder wochenlang gar nichts oder super viel… das bringt dann auch nichts 😉

  • ich freue mich schon auf weitere Posts über dieses Thema!
    Ich leide im Moment an einem entzündeten Innemeniskus und mir stellt sich natürlich jetzt schon seit Wochen die Frage: Hätte es ich das verhindern können durch weniger Sport?
    Mir geht es auch so: ich brauche Sport, doch jetzt bin ich gezwungen es bis auf ein paar Übungen (ohne Kniebelastung) und Spaziergänge aus meinem Alltag erstmal zu streichen und es fällt mir alles andere als leicht. Aber ich denke so werde ich die Chance haben neu und richtig anzufangen und dein Post hat mir noch ein Schups in die eine gute Richtung gegeben 🙂
    danke 🙂

  • Ich finde das Thema total spannend und bin auch total auf weitere Beiträge von dir dazu gespannt 🙂 Ist es denn einfach, selbst das richtige Mass zu finden oder sollte man das in einem Studio machen lassen? Ich mache momentan Bodyrock und weiss nie, wie viel ist gut und wie viel nicht.
    Lieben Gruss Ria

  • Liebe Ria,

    das ist eine super Frage!
    Ich habe mir auch schon überlegt, wie man die Trainingsintensität beim HIIT am besten steuert. Ich glaube, ich schreibe demnächst dazu noch einen Post mit meinen Gedanken dazu. Vielleicht hilft dir das dann weiter.

    Alles Liebe
    Julia

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