Verzerrte Wahrnehmung

Dass wir in unserer Gesellschaft ein ziemliches Problem in Sachen Schönheitsidealen haben, ist, denke ich, ein Tatsache, über die man nicht länger diskutieren muss.

Frauen müssen dünn sein, eine Wespentaille haben, trotzdem darf obenrum natürlich nicht zu wenig da sein, Falten im Gesicht oder am Hals gibt es frühestens mit 60 und Cellulite haben höchsten Orangen.
Auch für Männer haben sich Schönheitsideale durchgesetzt: Waschbrettbauch in Form eines Six-Packs, ein muskulöser und knackiger Po, ein Bizeps, der aussieht, als ob man einen Tennisball implantiert hätte.

In solchen Schönheitsidealen vereinigen sich seit jeher Wünsche und Sehnsüchte in Bezug auf unsere Äußeres, woraus man scheinbar Rückschlüsse auf die richtige Partnerwahl schließen kann.
In der Vergangenheit (also in der weit zurückliegenden) ein unumgängliches Selektionsverfahren für den täglichen Überlebenskampf.
Heutzutage hat sich die Bedeutung solcher Schönheitsideale aber grundlegend verändert. Es geht nicht mehr um den reinen Überlebenskampf, sondern eher darum, ob man Teil der scheinbaren Elite – der schönen Menschen – ist und sich dadurch von der großen Masse abheben kann.

Diejenigen, die wir als Teil dieser Elite ansehen, also die Promis, Filmstars, It-Girls, Musiker etc., leben uns diese so schwer erreichbaren Schönheitsideale vor. Wenn ich durch eine Frauenzeitschrift blättere und ein Bild von Kylie Minogue oder Madonna sehe, dann denke auch ich mir: “Mensch, wenn ich in dem Alter noch so aussehe, dann habe ich alles richtig gemacht.” Natürlich bin ich mir dessen bewusst, dass Fotos retuschiert werden, dass Stars ihren Lebensunterhalt mit ihrem Aussehen verdienen und dadurch entsprechend in ihr Aussehen investieren, wie es mir als Normalo gar nicht möglich ist, und dass sie teilweise zu radikalen Maßnahmen bereit sind. Trotzdem sieht man eben die Bilder und NICHT, was dahintersteckt.

Die Schadenfreude ist dann oft groß, wenn die Stars mal “ungeschminkt” von Paparazzi überrascht werden. Dann sehen sie auf einmal so aus wie du und ich. Doch ist mittlerweile die Diskrepanz zwischen den Bildern, die man in Zeitschriften oder auf einem Werbeplakat sieht, und der Realität immer größer geworden. Prägend sind jedoch die “unechten” Bilder. Sie haben großen Einfluss auf die Ideale, denen wir nacheifern wollen, und unsere eigene Körperwahrnehmung.

Durch die Digitalisierung der Medienwelt haben sich ganz neue Möglichkeiten der Bildbearbeitung aufgetan. Es geht nicht mehr nur darum, einen ungünstigen Schatten, eine Hautrötung oder einen Pickel zu entfernen. Im Prinzip werden die Menschen auf den Bildern noch einmal komplett generalüberholt – ohne dass sie dafür etwas tun müssen: Die Wespentaille wird verstärkt, der Po wird verkleinert, die Cellulite wird entfernt, die Schenkel werden schmaler gemacht, die Beine werden verlängert. Die Menschen auf den Fotos haben teilweise wirklich gar nichts mehr mit ihren realen Ebenbildern zu tun.

Auf der Seite von Newsweek habe ich einen Beitrag gefunden, der dieses Phänomen veranschaulicht:

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Bei diesem Cover-Foto von Sängerin Faith Hill wurden scheinbar 11 Dinge bearbeitet, von der Entfernung von Krähenfüßen bis zur “Halbierung” ihres Armes (Quelle).

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Für diese Aufnahmen für eine Campari-Werbekampagne war Jessica Alba kurz nach der Geburt ihres Kindes wohl noch nicht gut genug.

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Und Demi Moore, die uns ja immer noch weismachen will, dass man ohne plastische Chirurgie auf einmal 20 Jahre jünger aussehen kann, muss leider, leider ohne Hüfte leben. (Ich habe nichts gegen plastische Chirurgie, aber wenn man etwas machen lässt, dann soll man auch dazu stehen)

Wenn man den Vorher-Nachher-Vergleich sieht, so wird einem wohl schnell klar, dass man dem, was man auf solchen Bildern sieht, keinen glauben schenken darf.
Leider sind sich aber viele, auch erwachsene Menschen dieser Wahrnehmungsverzerrung nicht bewusst oder sie können davon keinen gesunden Abstand nehmen. Ganz besonders schlimm ist das natürlich für Kinder und Jugendliche, denn sie wissen nicht, was Retuschieren überhaupt ist und dass so etwas gemacht wird. Sie sehen nur die perfekten Bilder ihrer Idole und wollen so sein wie sie. Aber wie soll man etwas erreichen können, dass es in Realität gar nicht gibt???

Die Frage, die sich stellt, ist natürlich: Soll man dem Einhalt gebieten? Wer entscheidet, was noch im Rahmen und was zu viel ist? Sollte man speziell bei Zeitschriften für Jugendliche auf die Bildbearbeitung verzichten?
Schwierig, schwierig…. Denn dann müsste man auch Make-Up und Styling in Frage stellen, oder? Kann man das eher akzeptieren, weil dort eben doch keine grenzenlosen Möglichkeiten der Veränderung und “Perfektionierung” bestehen?
Wenn ich diese übermäßig bearbeiteten Bilder sehe, dann sagt mir ein Gefühl, dass das so nicht richtig ist, dass da etwas nicht in Ordnung ist.

Wie steht ihr der extremen Bildbearbeitung gegenüber? Ist das für euch in Ordnung oder wollt ihr lieber realitätsnähere Bilder? Denkt ihr, dass man Kinder und Jugendlich speziell aufklären sollte?

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2 Comments

  • Hallo Julia
    Danke für deinen Artikel über die verzerrte Wahrnehmung. Ich habe ihn gerade erst entdeckt, obwohl er schon etwas älter ist. Ich kaufe mir seit einigen Jahren keine Magazine mehr, weil ich nach dem durchblättern immer das Gefühl hatte: Mit mir stimmt etwas nicht, ich muss unbedingt abnehmen! Mir war ganz allgemein nicht mehr wohl danach. Als ich dann in einer Online-Zeitung einen ähnlichen Artikel gelesen hatte wie deinen, war mir auch klar warum. Es ist nicht möglich so auszusehen wie auf den retouchierten Bildern. Bei den ursprünglichen Bildern hat man doch eher das Gefühl: Ja, so ähnlich sehe ich auch aus. Ausserdem ist das retouchieren gar nicht nötig, die Menschen auf den Fotos sehen auch ohne hammergut aus!
    P.S. Ich mag deinen Blog und lese ihn regelmässig. Danke für die Inspirationen.
    Lieber Gruss
    Anita

  • Hallo Anita,

    vielen Dank für deinen Kommentar! Es freut mich, dass es dir auf meinem Blog gefällt.
    Ich musste mir diese Bildbearbeitung auch oft wieder bewusst vor Augen führen, um mich nicht zu sehr von diesen Bildern beeinflussen zu lassen. Und ich schaue mir die meisten Bilder auch gar nicht mehr so genau an…

    Liebe Grüße
    Julia

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